Ein Blick auf die Tabellen der letzten Saisons in der Quickline Handball League (NLA) zeigt, wie schwer es Aufsteiger, der HSC Kreuzlingen in der Beletage des Schweizer Handballs jeweils haben. Im letzten Jahr etwa holte CS Chênois Genf in 27 Hauptrundenpartien gerademal zwei mickrige Punkte. Und das Playout gegen den Zweitletzten RTV 1879 Basel verloren die Calvinstädter ebenso diskussionslos mit 0:3 Siegen. Ein ähnliches Schicksal ereilte ein Jahr zuvor den TV Endingen mit 24 Niederlagen in 27 Partien und einer 0:3-Playout-Abfuhr gegen GC Amicitia Zürich. Die Aufsteiger waren zuletzt am Ende der QHL-Saison also immer zum sofortigen Wiederabstieg verurteilt, weil die Konkurrenz in der höchsten Liga einfach enorm stark ist und sich mit Saisonbudgets von eineinhalb bis drei Millionen Schweizer Franken in ganz anderen finanziellen Sphären bewegen kann.
Optimum herausgeholt
Das Schicksal der letzten beiden Aufsteiger will der HSC Kreuzlingen selbstverständlich nicht teilen. Selten zuvor hat ein NLB-Club in so überzeugender Art und Weise die Promotion geschafft. Von den 30 NLB-Spielen verloren die Hafenstädter lediglich deren vier – notabene in der Startphase der Meisterschaft (3) und eines im Aufstiegs-Playoff-Final! «Wir wissen um die Herausforderungen, die auf einen Neuling in der Schweizer Topliga warten», betont der neue Kreuzlinger Cheftrainer Heiko Grimm klar. Im Vergleich zur Konkurrenz muss man am Bodensee in jeder Hinsicht kleinere Brötchen backen. «Wir haben personell im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten das Optimum herausgeholt und schauen nun, zu was dies ausreicht.» Wichtig sei es, so Grimm weiter, dass alle Positionen doppelt besetzt und beide Spieler auf identischem Niveau sind. «Das haben wir erfreulicherweise geschafft! Trotz unserer Ambitionen, es besser machen zu wollen als die letzten Aufsteiger, muss ich bei der Trainingsbelastung immer berücksichtigen, dass alle meine Spieler der Doppelbelastung Leistungssport und Beruf ausgesetzt sind.» Deswegen, und auch aufgrund der fehlenden Hallenkapazitäten, könne man auch nicht mehr als vier Mal pro Woche trainieren – dies im Vergleich zu sechs oder sieben Trainingseinheiten bei der Konkurrenz mit ihren Profis und Halbprofis.
Punktuell verstärkt
Eine Stärke des HSC Kreuzlingen kann sein, dass man eine aus der letzten Spielzeit bereits gut eingespielte Mannschaf besitzt. Auf die erste QHL-Saison der Clubgeschichte wurde das Kader nur punktuell verstärkt. So kehrte Rechtsaussen David Fricker vom Ligakonkurrenten TSV St. Otmar St. Gallen in die Grenzstadt zurück. Der 24-jährige Linkshänder bringt viel Erfahrung aus total 121 QHL-Partien mit, in denen er 179 Treffer erzielte. Weiter konnte der HSCK mit dem 30-jährigen Kroaten Bruno Kozina einen international erfahrenen Rückraumspieler verpflichten, der in der Saison 2015/16 bereits einmal Torschützenkönig in der Schweiz war. Kozina soll mit seiner Athletik und Durchschlagskraft eine Leaderrolle übernehmen.
Sein Backup ist der erst 20-jährige Lionel Mirdita, der aus dem B-Kader von Schweizermeister Schaffhausen nach Kreuzlingen wechselte. Mirdita besitzt viel Talent, was er auch schon bei drei Einsätzen mit der Schweizer A-Nationalmannschaft unter Beweis stellen durfte. Kurz vor Saisonstart stiess zudem der kosovarische Nationalspieler Drilon Tahirukaj (der ältere Bruder von HSCK-Topscorer Drenit) zum HSCK. Zwar spielt er im Nationalteam auf Rechtsaussen, besitzt aber mit seiner Schnelligkeit und Spielintelligenz durchaus auch grosse Qualitäten im rechten Rückraum. Eher dem Kapitel «Zukunftshoffnung» ist die Verpflichtung des jungen Deutschen Fabian Zeller (19) aus dem Jugend-Bundesliga-Team der HSG Konstanz zuzuordnen.
Auch innerhalb des bestehenden Kaders wird es auf die neue Saison hin die eine oder andere (Positions-)Veränderung geben. So setzt Linksaussen Fabian Schneider seinen Wiedereinstieg nach seiner langen Verletzungspause kontinuierlich fort. Ebenfalls auf der linken Flügelposition kommt neu Sandro Bär zum Einsatz. Der vormalige Mittelmann hat in der Vorbereitung sein Potenzial auf seiner neuen Position bereits aufgezeigt. Sehr erfreut ist man beim HSCK auch, dass die Zusammenarbeit mit Torhüter Nikola Marinovic weitergeführt werden kann. Der 46-jährige Routinier (165 Länderspiele für Österreich, 171 NLA-Partien) bildet mit dem kosovarischen Nationalkeeper Haris Berisha (26) ein starkes Duo zwischen den Pfosten. Dritter Goalie ist der junge Cédric Färber (23). Marinovic ist zugleich auch Torhütertrainer.
Wohin führt die Reise?
«Im Vorfeld eine Prognose zu unserem Abschneiden abzugeben ist äusserst schwierig», betont Heiko Grimm. Der HSC Kreuzlingen hatte aufgrund der langen und intensiven letzten Saison inklusive Playoff-Final die kürzeste Vorbereitungszeit aller QHL-Teams. Immerhin konnte er bei einem Vorbereitungsturnier in Stäfa im Halbfinal den amtierenden Vize-Schweizermeister Pfadi Winterthur bezwingen (30:26) und auch im Final gegen den Ligakonkurrenten HSC Suhr Aarau trotz Niederlage (26:34) einen mehrheitlich positiven Eindruck hinterlassen.
«Wir werden als Aufsteiger sicher Lehrgeld bezahlen müssen», bleibt der ehemalige Europameister und Vize-Weltmeister realistisch. «Ich erwarte von mir, dem Staff und meinen Spielern, aber auch vom Umfeld, dass wir zusammen versuchen alles Machbare herauszuholen um möglichst nahe an unser Optimum heranzukommen. Und dann schauen wir einfach, was dabei auf dem Spielfeld herauskommt. Ich bin durchaus zuversichtlich!»
QHL-Saison 2022/23
Zuzüge:
David Fricker (TSV St. Otmar St. Gallen/QHL), Bruno Kozina (Csurgói KK/Ungarn), Fabien Zeller (HSG Konstanz/Jugend-Bundesliga), Lionel Mirdita (Kadetten Schaffhausen/NLB), Drilon Tahirukaj (KH Decani/Kosovo).
Abgänge:
Adrian Blättler (GC Amicitia Zürich/QHL), Paul Kaletsch (Rücktritt), Jerôme Portmann (Endingen/NLB), Oliver Wipf (2. Mannschaft), Laszlo Najah (Rücktritt), Marcel Briegmann (2. Mannschaft).