Die "Lange Nacht der Kirchen" in der Stadtkirche Kreuzlingen bot ein tolles Rahmenprogramm für Kinder und Erwachsene. Das Hornensembles Kreuzlingen trat auf, Zauberer Daniel Jaag begeisterte, die Ghost Rocks mit einer "Breaking Show", die Ballettschule Kreuzlingen und der Tanzverein Kreuzlingen Salsa International tanzten. Ein exklusives Highlight auf dem Friedhof war die musikalische Literaturperformance von Severin Lanfranconi und Johannes Schütt - und mittendrin ein faszinierendes Nachtgespräch in der Kirche.
"Ja", es braucht eine Kirche
Philosophieren mit Persönlichkeiten nachts um 22 Uhr lässt aus so manche Überraschungen hoffen. Die christliche Mystik interpretiere jeder Mensch anders, sagen die Gesprächsteilnehmer. Prominente Gäste mit dem SRF-Moderator Reto Scherrer und Trainer des Handball Sportclubs Kreuzlingen HSC Heiko Grimm stehen Red und Antwort. Scherrer der Tiefgründige, Grimm der Authentische, sowie Kirchenpräsidentin Susanne Dschulnigg, die Philosophin hatten wenig Zeit, sich auf diese Dialoge vorzubereiten.
Ob es eine Kirche braucht, frägt Moderator Walter Studer. Alle drei Teilnehmer nicken und sagen «ja», es brauche eine Kirche, ein Ort der Zuflucht und Besinnung. Die Kirche müsse in der Stadt bleiben. Es geht um Werte, um Demut und Dankbarkeit, auch um das Authentische im Sport. Viel Persönliches erzählen die Teilnehmer und überraschend viel über den Glauben. Sie nehmen es genau. Grimm sagt zwar, dass er bescheiden demütig sei.
Dialoge über Gott
Auch das Menschwerden ist Thema. Ob der Mensch Gott erschaffen oder Gott den Menschen erschaffen hat, wird kontrovers diskutiert. Erschaffung sei etwas Geheimnisvolles, sagt Dschulnigg. Der Glaube sei etwas Geheimnisvolle. Dieses Geheimnis gelte es zu hüten.
Reto Scherrer sagt, dass ihn sein Leben sehr geprägt habe. Er spricht von Gottvertrauen, in sich selber und auch in andere. Das stärkt das Selbstbewusstsein. Offene Worte auch vom 45-jährigen Heiko Grimm. Im Sport sage man «alte Schule» für seine Haltung. Er sei dafür immer ehrlich und loyal. "Als Trainer bin ich auch ein Vorbild für andere." Diese Werte lebe er vor.
Dschulniggs wichtigstes Buch ist die Bibel. Darin heisst es, "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst." Dazu zähle sie Bescheidenheit und Demut. Respekt vor dem Gegenüber, zeige sie mit Wertschätzung und auch mit Dankbarkeit.
Scherrer sagt auch, dass das Leben sich ändern könnte. Es könne von heute auf morgen anders und es könnte nicht mehr so schön sein, wie es im jetzt ist. Welchen Stellenwert die Kirche für jeden einzelnen hat, bedeute auch, sich sicher zu sein, wie wichtig es ist, an etwas zu glauben.
Kirche ist "magic"
Scherrer erzählt von seinen Kirchenbesuchen als Jugendlicher, die für seine Kollegen eher ein «müssen» waren. Er ging gern in die Kirche und das habe sich bis heute nicht geändert. Er erinnere sich gut an die Glaubenssätze an der Kirchenwand, wenn er jeweils am Sonntag in die evangelische Kirche von Weinfelden ging. Kirche fand er immer «magic». Und charmant fügt Scherrer an: «Ich habe mich sofort wohl gefühlt, als ich in diese Kirche hier in Kreuzlingen eintrat.» Er könne nicht genau sagen, woran das liege, es sei einfach so.
Woher der Sportler die Kraft nehme, sagt Grimm sei mit dem Glauben an sich selber verknüpft und damit meine er die mentale Stärke. Teamsport präge und beeinflusse die innere Haltung. Siegen und verlieren im Sport liegen schliesslich nahe beieinander.
Dschulnigg rückt mehr Begriffe wie «Glaube, Liebe, Hoffnung» in den Fokus. Der Mensch brauche eine Vorstellung. Jesus sei Lehrer für "uns" und dem, wie wir unsere Leben leben. Und dann gehöre noch viel Selbstvertrauen dazu, um weiter zu gehen und sich so zu lieben, wie man ist.
"Was Seele bedeutet"? hatte der Moderator gefragt. Für die einen Menschen alles Denken, Fühlen und Empfinden. Für Reto Scherrer ist es das Leben und der Tod. Als Beispiel fügt er die Indianerfigur Winnetou an, als er starb, lebte seine Seele weiter und dies bekomme eine höhere Bedeutung.
Heiko Grimm glaubt mehr an das Gute im Menschen, auch wenn viele Dummheiten gemacht würden. Und für Dschulnigg ist Seelenleben im «du» sein, im anderen.