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Kreuzlingen
10.07.2023
10.07.2023 21:11 Uhr

Tanz im Takt der Akzeptanz

Eine bunte Gästeschar am See Pride Festival in Festlaune in der Bodensee-Arena. Bild: Sandro Zoller
Das See Pride Festival in Kreuzlingen lockte am Wochenende vom 7. und 8. Juli 2023 nebst der grenzüberschreitenden Demonstration über 1'200 Teilnehmende an. Der Verein CSD Kreuzlingen organisierte das LGBTIQ+ Festival in der Bodensee Arena. Spass und Netzwerken standen im Zentrum. Der Event hatte aber auch einen politischen Aspekt. Schwule, Lesben, Bisexuelle, Intergeschlechtliche und queere sowie transgender Menschen setzen sich für eine Welt ohne Verfolgung und Diskriminierung ein.

Mehr und mehr füllte sich am Samstag der Innenbereich der Festhalle. Zahlreich setzen sich vorwiegend junge Gäste an die Tische an diesem ersten See Pride Festival in Kreuzlingen. An den Bars mixt das Personal eifrig Cocktails und öffnet Biere, während der Pavillon der Piratenpartei sowie ein Stand mit Sex-Toys um Aufmerksamkeit buhlen. Vor der Bühne bewegen sich die tanzbegeisterten Gäste zu den Beats von DJ David Marquez und weiter hinten liessen sich aufwendig und ausgefallen Kostümierte mit anderen Teilnehmenden ablichten. Das Thema vieler ist "Akzeptanz".

«1. See Pride Festival Kreuzlingen: Love-Liebe-Amour-Amore. »

Die eigentliche Party am See Pride Festival stieg am Abend. Der Samstagnachmittag gehörte diversen Rednerinnen und Rednern. Nebst CSD-Präsident Stefan Klauer hatte auch Pascal Haggenmüller, Landesvorsitzender der Grünen in Baden-Württemberg, das Wort: «Wir sind nicht nur wegen der Party hier – auch aus politischen Motiven. Die Demokratie ist unter Druck, sei es wegen Personen wie Trump, De Santis oder der AfD in Baden-Württemberg.» Gastredner waren angekündigt mit dem höchsten Kreuzlinger des Stadtparlamentes, Fabian Neuweiler und dem Regierungsratspräsidenten Urs Martin. Aus gesundheitlichen sowie familiären Gründen haben beide abgesagt. Und das war nicht die erste ungewollte Verjüngung des Programms. Am Freitagabend hätte ein Konzert mit Luca Hänni und Vincent Gross über die Bühne gehen sollen. Wichtige Sponsoren sprangen kurz davor ab. Der Vorstand des CSD Kreuzlingen sei mit den Künstlern und Sponsoren im Gespräch, hiess es. Ein neues Datum für das Konzert stehe noch nicht fest, sagt Klauer. Politische Akzente setzen am Samstag am Podium "Antiqueere Gewalt - (k)ein Thema?" glp-Kantonsrat Ueli Fisch, SP-Kantonsrätin Nina Schläfli, Queer-Präsidentin Eva Büchi, SVP-Kantonsrätin Judith Ricklin sowie Kantonsrat Nick Bischof, dieMitte. 

Grenzüberschreitende Demo

Doch die Geschichte der Demonstrationen der «Christopher Street Day» (CSD)-Ableger in Kreuzlingen und Konstanz gibt es schon länger und sie sind bereits ein fixer Bestandteil des Veranstaltungskalenders. Dieses Jahr hoben die Köpfe hinter dem diesseitigen CSD das See Pride Festival aus der Taufe. Unter dem Motto «Love-Liebe-Amour-Amore» wollte die LGBTIQ+ Community Aufmerksamkeit generieren und auf die weiterhin bestehenden Schwierigkeiten hinweisen.

Der erste CSD der Schweiz fand am 24. Juni 1978 in Zürich statt. Der Beginn des CSD Kreuzlingen sei ungefähr auf das Jahr 2009 datiert, so Stefan Klauer, Präsident des CSD Kreuzlingen: «Die Unterlagen aus der Vergangenheit sind leider nicht vollständig. Im Jahr 2020 gründeten wir ihn deshalb neu. Dabei waren, nebst mir, sowohl Mitglieder als auch der frühere Vorstand Richard Seidl und Burkard Lehner.» Der CSD Deutschland diene als Plattform für den Austausch, die Koordination und Unterstützung der diversen Veranstaltungen in Deutschland. «Durch die Zusammenarbeit mit ihnen können Erfahrung, Ressourcen und bewährte Praktiken geteilt und schlussendlich die Effektivität und der Erfolg der einzelnen CSDs gefördert werden.»

Gleiche Rechte und Chancen für alle

An den meisten Orten auf der Welt wird dieser Fest- und Demonstrationstag Gay Pride genannt – ausser in Deutschland, der Schweiz und Teilen von Österreich. Gemäss Klauer sei die Intention hinter der Gründung des CSD, beziehungsweise der LGBTIQ+ Bewegung, gewesen, für die Rechte und Sichtbarkeit von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Personen einzutreten. Der CSD sei als Reaktion auf die Diskriminierung und Unterdrückung, mit welcher LGBTIQ+ Menschen konfrontiert wurden, und immer noch werden, entstanden. «Die Bewegung setzt sich dafür ein, Vorurteile und Stereotypen abzubauen, gleiche Rechte und Chancen für LGBTIQ+ Menschen zu gewährleisten und Diskriminierung in allen Bereichen der Gesellschaft zu bekämpfen», erklärte der Vorstandsvorsitzende des CSD Kreuzlingen. Wichtig sei zudem zu erwähnen, dass Veranstaltungen und Paraden nicht nur als Ausdruck für Stolz und Identität, sondern auch als Plattform für politische Forderungen und soziale Veränderungen, dienen.

Ein bunter Mix

Wie setzt sich nun genau die Zielgruppe des CSDs zusammen und welche konkreten Erwartungen an diese Events bestehen? Sie umfasse Menschen aller Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen, antwortete Klauer: «Es ist eine vielfältige und bunte Gemeinschaft.»

Die Sonne knallte am Samstagmittag gnadenlos herunter. Die Hitze setzte den Teilnehmenden der Demonstration zu. Viele dachten deshalb nicht direkt ans Tanzen auf der Aussenfläche der Bodensee Arena. Eine Verschnaufpause im Schatten der Bäume war angesagt. Die Stimmung unter den vorwiegend jungen Personen war dennoch ausgelassen. Es wurde gelacht, diskutiert und neue Kontakte geknüpft. Das Bild der in Kreisen dasitzenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer erinnerte ein wenig an eine Zusammenkunft von «Blumenkindern». Bei einem zweiten Blick sah es nach einem Cosplay Event aus. Denn manche kamen in Kostümen daher, waren farbenfroh geschminkt oder kreierten ihren eigenen Kleidungsstil.

Nicht nur Spass – auch klare Vorstellungen

Fast jede angesprochene Gruppe war für ein Foto zu haben und hatte etwas zu sagen. Lars aus Kreuzlingen nahm am CSD teil, um für die Befreiung von queeren Menschen zu kämpfen: «In unserem System sehe ich keinen möglichen Sieg im Kampf für Gleichberechtigung, deshalb setze ich mich für den Kommunismus ein.» Luana, aus der Gegend von Stockach, war am See Pride Festival wegen der Community, für ein stärkeres Bewusstsein in der Gesellschaft und um eine gute Zeit zu haben: «Ich hoffe, dass sich die Leute mehr mit diesem Thema beschäftigen.» Luka kommt aus Heidelberg, studiert zurzeit in Konstanz und geht gerne auf solche Events: «Hier sind die Leute aufgeschlossen.» Er habe auch keine Angst mehr gegen die AfD zu kämpfen, denn sie seien unterdessen viele.

«Warum ich hier bin? Nun, hier wird gefeiert und ich bin gay. In der Community kann man einfach sich selbst sein», sagte Maxx aus Tuttlingen mit einem Lächeln im Gesicht. Aus Volkertshausen, oberhalb von Radolfzell, war Ronja angereist. «Es ist wichtig, dass das Thema aktuell bleibt und nicht vergessen geht. Ich möchte das Positive nach aussen tragen.» Eine Kollegin schaltete sich ein und bekräftigte grinsend: «Wir sind eine andere Variante von Hippies.» Marina stammt aus Müllingen und geht mit ihrer Gruppe regelmässig an solche Events. Sie wünsche sich eine allgemeine Akzeptanz in der Gesellschaft. «Obwohl gesagt wird, dass diese besteht, sind LGBTIQ+ Personen noch nicht akzeptiert. Deshalb ist ein Wille für dessen Erreichung wichtig.»

Er nennt sich wie der Götterbote aus der griechischen Mythologie, Hermes. Der Konstanzer mischte sich wegen der entspannten Atmosphäre unter die Leute: «Vordergründig bin ich wegen des Spasses hier. An CSDs ist jeder tolerant. Früher gab es in Konstanz den Club Excalibur. Da konnten sich alle frei fühlen.» Man müsse gesehen werden, damit Toleranz entstehe, sagte Angelina aus Singen: «Wir sind hier so viele, dass andere nicht mehr wegschauen können.» Dank der hier existierenden Gesetze seien sie privilegiert, für ihre Rechte einzustehen. In anderen Ländern stünde dies unter Strafe. Ein weiteres Gruppenmitglied aus Überlingen, namens Lisa, fühlte sich durch die Worte inspiriert und fügte hinzu: «Als ich noch jünger war, getraute ich mich nicht an solche Veranstaltungen zu gehen. Ich kannte noch zu wenige Gleichgesinnte. Deshalb bin ich für alle hier, die zu jung sind oder noch keinen Mut haben.» Indira lebt in Konstanz und war aus einem einfachen Grund mit von der Partie: «Man kann hier unbeschwert sein, wer man ist.»

Engagement weiter ausbauen

«Der CSD Kreuzlingen plant auch zukünftig weitere Events. Bereits im Laufe des Jahres wird es weitere Veranstaltungen geben», sagt der CSD Kreuzlingen Präsident. Darüber hinaus soll der Fokus verstärkt auf Workshops, zur Aufklärung und Beratungsarbeit gelegt werden. «Durch solche Aktivitäten bauen wir das Engagement für die LGBTIQ+ Community aus und tragen zur Förderung von Akzeptanz und Gleichberechtigung bei." Gemäss dem aktuellen Stand der Planung werde das See Pride Festival zukünftig im Zwei-Jahres-Intervall durchgeführt. In den Zwischenjahren sei der Verein aus Konstanz dafür zuständig, so Klauer, verantwortlich für das Sponsoring, den Netzwerkaufbau und das Finanzmanagement.

Der Zuspruch und die Präsenz vieler Menschen während des CSDs habe gezeigt, dass die Gemeinschaft eine starke Stimme besitze, so der Vorstandsvorsitzende weiter: «Lasst uns diese Energie und diesen Zusammenhalt nutzen, um positive Veränderungen voranzutreiben. Gemeinsam werden wir für eine inklusive und gerechte Gesellschaft kämpfen.»

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  • Stefan Klauer, Präsident CSD Kreuzlingen und OK-Chef See Pride Festival Bild: Sandro Zoller
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Botschaft der LGBTIQ-Community

«Wir demonstrieren für eine bunte Gesellschaft, in der jeder Lebensentwurf akzeptiert wird und seinen Platz findet. Eine Welt, in der der Staat für alle Menschen die Rechte auf freie Entfaltung schützt, überall in Europa und dem Rest der Welt. Wir wollen eine Welt erreichen, in der jeder sein kann, wie er möchte, ohne Angst vor Diskriminierung, Verfolgung oder staatlicher Unterdrückung. Auch wir selbst wollen friedlich, sozial und ohne Vorurteile miteinander umgehen, und gemeinsam für unsere Ziele kämpfen. Wir streben eine lebenswerte Welt an, die auch in Zukunft Raum und Sicherheit für alle bietet.»

Sandro Zoller