Beim Anblick des Johannes Evangelist sticht eine Sache sogleich ins Auge: Die Büste hat keinen Körper. Das Werk eines Ulmer Schnitzers aus dem 16. Jahrhundert steht auf einem Sockel. Spannend wird es, wenn man die Inschrift auf dem Sockel entziffert. Diese entschleiert einen merkwürdigen Brauch, der sich zwischen dem deutschen und dem Schweizer Bodenseeufer abspielt und in welchem Johannes die Hauptrolle spielt.
Reisen auf Eis
Münsterlingen, 17. Februar 1573. Der heilige Johannes Evangelist wird über den zugefrorenen Bodensee nach Hagnau getragen und dort im Rathaus untergebracht. Nach einem hundertjährigen Aufenthalt in Deutschland kehrt er nach Münsterlingen zurück, wiederum übers Eis. Retour geht es 1830, selbstverständlich wieder über den spiegelglatten Bodensee. Etwas mehr als 90 Jahre vergehen bis zur nächsten Reise des Johannes. Am 12. Februar 1963, herrscht eine schweizweite Seegfrörni, ideale Reisebedingungen also für Johannes. Die Münsterlinger holen die Büste mit einer feierlichen Prozession, unter Beteiligung von 3000 Personen zurück. Es herrscht eine Volksfeststimmung mit Wein, Bratwurst und Musikkapelle, unter Aufsicht von Zoll und Pfarrer.
Seit 1963 steht das Johanneshaupt nun in der Kirche Münsterlingen. Was hat es mit dem seltsamen Brauch auf sich, die Büste zwischen der Schweiz und Deutschland über den gefrorenen See zu tragen? Und zu welchem ursprünglichen Zweck wurde die Büste einst erschaffen? Betty Sonnberger liefert Antworten am Kurzvortrag über Mittag im Historischen Museum Thurgau. Die Veranstaltung findet von 12.30 bis 13 Uhr statt, ist kostenlos und um eine Anmeldung wird gebeten.
