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Kanton
02.09.2023
03.09.2023 20:16 Uhr

«Lernen, mit Veränderungen in der Gesellschaft umzugehen»

Die Podiumsteilnehmer Marco Bortoluzzi (Junge SVP Thurgau), Cornelia Hauser (Grüne), Judith Ricklin (SVP), Nina Schläfli (SP) und Thomas Leu (FDP) mit Moderator Patrick Eich. (von links nach rechs) Bild: Manuela Olgiati
Lehrpersonen wollen einen attraktiven Beruf ausüben und positiv wahrgenommen werden. Doch das Image hat sich zu einem negativen Bild gewandelt. Nationalratskandidierende diskutierten am Podium mit Moderator Patrick Eich über den Lehrerberuf und über Krisen in der Bildungslandschaft.

Am Freitagabend, 1. September hat die SVP Kreuzlingen zum Podium «Lehrer heute – Krisenmanager statt Pädagogen?» ins Restaurant Besmer in Kreuzlingen eingeladen. Rund 40 Besucherinnen und Besucher sind an diesem überparteilichen Anlass erschienen.

Unter der Leitung von Moderator Patrick Eich stellten die Nationalratskandidatinnen aus Lehrerberufen klar, dass es sich in der Schule nicht um Krisen, jedoch um verschiedene Baustellen, handle. Fünf Kandidatinnen und Kandidaten für den Nationalrat geben kontroverse Antworten.

Gründe für Krisen in der Schule

Eich frägt: «Was sind Krisen in der Schule?» Für Thomas Leu, FDP und seit 2009 Rechtsanwalt, wirft die Arbeit von Anwälten in der Schule viele Fragen auf. Leu sagt: «Eltern sollten sich nicht zu sehr in das Schulgeschehen einmischen, so dass auf rechtlicher Ebene Entscheide gefällt werden müssen.» Eltern seien viel mehr in der Pflicht, die Schule zu unterstützen. Das Problem an Krisen sieht Leu in den zahlreichen Ansprechpersonen. Kinder müssten sich laufend auf neue Personen einstellen, es spiele die subjektive Sympathie eine wesentliche Rolle, ob sich ein Kind wohl fühle. Leu sagt: «Früher hatten wir einen Lehrer für alle Fächer.» Heute könnten die vielen Wechsel zu den einzelnen Fachkräften hohe Störfaktoren auslösen.

Bildungspolitik und Verständnis von Zeit

Nina Schläfli, SP spricht von einer Bildungspolitik und auch davon, dass sich mit der Ausbildung von Pädagogen viel verändert habe. Schläfli sieht die Krisen beim Lehrpersonenmangel. Schläfli macht zudem transparent  attraktivere Anstellungsbedingungen in anderen Kantonen, als sie der Thurgau biete. In der Bildungspolitik geht es Schläfli um Zeitmanagement, etwa um die Arbeit in einer Viertagewoche oder eine 35-Stundenwoche. Dies nennt sie als Beispiele, doch es gehe ihr mehr um das Verständnis von Zeit. Sie möchte eine «Diskussion auf Gesellschaftsebene in Gang bringen, wie Zeit in der Gesellschaft verteilt ist.» Leu gibt zu bedenken, dass damit Leistungen nicht gefördert werden. Er fragt: «Und wann kommt die Leistung, für das, was man gern tut?» Das verlange nach mehr Zeitressourcen, anstelle von weniger arbeiten.

Umgang mit schwierigen Kindern

Wie jemand mit Kindern oder mit schwierigen Situationen umgeht, Begeisterung wecken und Kinder motivieren kann – dies hängt stark mit der eigenen Person zusammen. Ein Krisenmanager muss intelligent und vor allem stressstabil sein. Kurzum, ein Krisenmanager muss ein Übermensch sein, der neue Informationen flexibel und kreativ aufgreift. Das sehen Lehrpersonen kontrovers.

Verhaltensauffälligkeiten und Gewalt an der Schule, dazu wird von Lehrern ein Hochschulabschluss verlangt

Primarlehrerin Judith Ricklin (SVP), die 30 Jahre lang unterrichtet hat, glaubt nicht an Krisen bei Lehrpersonen. Ricklin spricht von verschiedenen Baustellen in den Schulen. Gewalt sei im Klassenzimmer immer mehr Thema. Die Anforderungen seien gestiegen, der administrative Aufwand gross. Thematisiert werden auch Schulleitungen, die ihre Aufgaben nur zum Teil im Sinne der Schule erfüllen, auch unendliche Sitzungen leiten.

Auch Lehrerin Cornelia Hauser (Grüne) für technisches und textiles Gestalten spricht von Baustellen. Das Image des Lehrerberufes leide. Hauser verglich die Zeit ihrer Ausbildung, die sie 1987 am Lehrerseminar Kreuzlingen beendete mit heute. Unterrichten habe damals Spass bereitet. Lehrpersonen genossen viele Freiheiten und führten Schule allein im Klassenzimmer. Doch immer ging es auch um den Kontakt mit Eltern. Früher waren jedoch mehr Musikalität, Kreativität zentral. Heute gehe es Lehrpersonen mehr Planung, dazu zähle sie auch Familienplanung. Und heute brauche es einen Hochschulabschluss, um an einer Schule unterrichten zu können. Hauser sagt: «Das brauchen wir alles nicht.» Denn es gehe um den praktischen Umgang mit Kindern und die Erfahrung.

Und schliesslich spricht Marco Bortoluzzi, der Präsident der Junge SVP Thurgau von Kompetenzen. Auch junge Menschen müssten sich an der Nase nehmen. Er kenne junge Männer, die keinen Militärdienst leisten. Dort lerne man jedoch, wie das gesellschaftliche Leben und das Berufsleben ablaufe. Wenn er die technische Entwicklung betrachte, veränderte sich diese rasant. Im Schulzimmer habe sich aus seiner Sicht kaum etwas verändert. Es brauche mehr Dynamik in der Schule, mit Lehrpersonen entlasten, sei es nicht getan.

Mangelnde Wertschätzung wird thematisiert

Ricklin fügt noch an, dass genügend ausgebildete Lehrpersonen zur Verfügung stehen. Wichtig sei zu erfahren, wofür eine Lehrerin noch brenne? Um Kindern eine gute Schulzeit zu ermöglichen, brauche es positive Rückmeldungen von Eltern und sie liest ein Dankesschreiben zum Abschied aus ihrem eigenen Schuldienst vor.

Unterstützung, dass es der Schule besser geht

Aus dem Publikum kommen viele Verständnisfragen. Die Führung eines Kindes ist eine komplexe Aufgabe, sagt ein Besucher. Kernaufgabe einer Lehrerin sei nicht nur das Unterrichten. Der ehemalige Kreuzlinger Gemeinderat Jost Rüegg (Grüne) sagt: «Wir müssen lernen, mit der Veränderung in der Gesellschaft umzugehen.» Nationalräte sollten mithelfen in diese Richtung zu arbeiten, damit es Lehrpersonen und Schule bald besser gehe.

Manuela Olgiati