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Leserbrief
Kreuzlingen
02.11.2023
02.11.2023 13:54 Uhr

Die Zeichen der Zeit nicht verstanden

Symbolbild Bild: AdobeStock
Leserbrief zur Diskussion im Gemeinderat "Fachstelle für das Alter" in der Stadt Kreuzlingen.

Mutlos und ohne Empathie diskutierte der Gemeinderat am Donnerstag 05. Oktober über die auf drei Jahre befristete „Fachstelle für das Alter“ der Stadt Kreuzlingen. Ab 01. Januar 2024 sollte diese als definitives Angebot innerhalb der Sozialen Dienste implementiert werden. Oder wird sie, wie dies die Finanz-und Rechnungskommission beantragte ganz gestrichen?  Der Antrag aus der SP Fraktion, diese in eine unbefristete 60 Prozent Stelle zu überführen wurde von bürgerlicher Seite grossmehrheitlich abgelehnt. Bewilligt wurde eine befristete Stelle von 60 Prozent für ein weiteres Jahr. Was für die Stelle ein Sterben auf Zeit bedeutet. Diese weitere Befristung verunmöglicht eine professionelle Weiterführung, weil damit zu rechnen ist, dass der Gemeinderat an der nächsten Budgetsitzung die Stelle ganz streichen wird. Diese Ungewissheit verunmöglicht es gar, die Stelle so zu gestalten, dass die aufsuchenden Personen die Gewissheit haben, auch im Jahr 2024 weiterhin Beratungen in Anspruch nehmen zu können. Geradezu unwürdig verlief die Diskussion durch Äusserungen wie, die Stelle sei überflüssig, weil die Pro Senectute, die Kantonale Fachstelle „Alter“ und neu auch die Caritas mit ihrer Schuldenberatung sich heute schon genügend Anbieter mit den Anliegen älterer Menschen befassen. Im Fall der Pro Senectute, und der „Kantonalen Fachstelle Alter“ trifft dies aufgrund personeller Ressourcen nur bedingt zu. Sonst würden wohl kaum Städte wie Frauenfeld und Weinfelden eine Fachstelle für das Alter führen, wenn der Bedarf vollständig durch die genannten Anbieter abgedeckt werden könnte. Überdies sind Leistungen bei der Pro Senectute kostenpflichtig. Eine Beratung kann bis zu 100 Franken pro Stunde kosten. Viele ältere Menschen verfügen nur über ein kleines Budget, müssen sogar Ergänzungsleistungen beziehen, was es ihnen verunmöglicht wird, eine solche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Längst hat der Markt die Bedürfnisse der älteren Bevölkerung erkannt. Gewinnorientierte Angebote für Menschen 60 plus schiessen wie Pilze aus dem Boden. Die allermeisten dieser Angebote sind kostenpflichtig. Alte Menschen sind diesem Markt mangels staatlicher Angebote ungeschützt ausgesetzt. Umso mehr steht hier der Staat in der sozialen Verantwortung, Anlaufstellen welche sich den Bedürfnissen und Anliegen der zunehmenden Gruppe älterer Menschen annimmt, zur Verfügung zu stellen. Die ältere Generation hat unser aller Respekt verdient, basiert doch unser Wohlstand vorwiegend auf dieser Generation. Eine Stadt wie Kreuzlingen kann sich der Realität der demographischen Entwicklung nicht entziehen. Daher ist der Entscheid des bürgerlichen Gemeinderates kurzsichtig, falsch und höchst unsozial. Das Parlament hat in diesem Bereich seine Verantwortung nicht wahrgenommen.

Barbara Kern, ehemalige Stadträtin, Hildegard Meyenhofer, Heidi Kyburz, Susann Vogelsanger, Margrit Staehli, Carmen Schmied, Monika Ottmer, Christine Witzig, Kreuzlingen