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Kreuzlingen
07.06.2024
14.06.2024 07:58 Uhr

Wochenzeitung im Fokus der Stadt

Freie Meinungsbildung? – Fehlanzeige! Die Stadt Kreuzlingen kauft sich mit Steuergeldern die Meinungsfreiheit. Bild: zVg
Anfang Mai reichte Gemeinderat Georg Schulthess beim Stadtrat das Postulat «Von städtischem Geld unbeeinflusste und unabhängige Medien – Einstellen der Finanzierung von Medien durch die Stadt» ein. Als Reaktion auf den politischen Vorstoss hat die Stadt Kreuzlingen den Vertrag mit einer Wochenzeitung verlängert.

Die Thurgauer Zeitung macht Qualitätsjournalismus, print und online. Das online Medienportal Kreuzlingen24 berichtet täglich. Das ist nicht genug in der Stadt Kreuzlingen. Der Stadtrat arbeitet eng mit den Kreuzlinger Nachrichten als Publikationsorgan zusammen. Die Printzeitung erscheint wöchentlich. Die Stadt hat den Vertrag mit dieser Zeitung verlängert. In einer Medienmitteilung vom 15. Mai 2024 schreibt die Stadt: «Kreuzlinger Nachrichten als Amtliches Publikationsorgan der Stadt Kreuzlingen sowie der Gemeinden Tägerwilen, Lengwil und Kemmental gewährleistet die lückenlose Versorgung mit den Amtlichen Publikationen. Zudem decke das Publikationsorgan die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Institutionen wie Schulen, Kirchen, Vereine und Gewerbe ab. Dies trage auch der Wunsch der Leserschaft nach einem redaktionellen Umfeld Rechnung.»

Informationskanäle für die Meinungsbildung

Was soll der Wirbel um die Medienlandschaft? Gemeinderat Georg Schulthess betont, dass Informationen der erste Schritt zu Veränderungen sind. Er ergänzt: «Nicht nur autoritäre Regierungen fürchten eine freie und unabhängige Berichterstattung.» Und spielt damit auf lokale Akteure an. Medien seien in erster Linie dafür da, zu recherchieren, zu informieren und Sachverhalte zu erklären, manchmal auch Klarheit in Unstimmigkeiten zu bringen. Schulthess vertritt die Meinung, wo Medien nicht über Unrecht berichten können, auch keine öffentliche Kontrolle stattfinden kann. Medien bilden die Informationskanäle für eine freie Meinungsbildung unterschiedlichster Themen. Das nehme er besonders vor Abstimmungen und Wahlen wahr. 

Schulthess ergänzt: «Pressefreiheit und Meinungsvielfalt ist die Basis einer demokratischen Gesellschaft.» Er zeigt sich enttäuscht, dass bei den Kreuzlinger Nachrichten auf Artikelsuche und im Archiv lediglich von der Stadt Kreuzlingen verfasste Artikel zu finden sind, journalistisch erarbeitete Artikel jedoch fehlen. Das alles vertrete einseitig die Meinung der städtischen Exekutive und nach Aussage von Schulthess «glänze dies mit Weglassungen.» An Gemeinderatssitzungen nehmen Journalisten der Kreuzlinger Nachrichten nicht mehr teil.

Publikationsorgan bezahlt die Stadtkasse 

Schulthess spekuliert, dass es daran liegen könnte, dass die Stadt Kreuzlingen den Kreuzlinger Nachrichten hohe Beiträge überweist für ihre Rolle als lokales, amtliches Publikationsorgan. Diese Beträge könnten pro Jahr im fünf- bis sechsstelligen Bereich liegen. Entsprechend wurde somit genau dieser Zeitung eine unabhängige Berichterstattung verwehrt.

Eine Antwort des Stadtrates Kreuzlingen steht zwar noch aus. Wenige Tage nach Eingang des Postulates machte die Stadt eine Vertragsverlängerung mit den Kreuzlinger Nachrichten publik – notabene entgegen der Vorhersage für eine Ausschreibung vor Vertragsunterzeichnung. Schulthess sagt: «Diese überstürzte Reaktion werte ich als Antwort auf meine Vorschläge, Berichterstattungen zu optimieren.» Interessant wäre nun auch, mehr über die Meinungen der Bevölkerung zu erfahren.

Nun könnte man meinen, der Stadt sei die Medienvielfalt egal. Auch könnte der Eindruck entstehen, dass eher konservative Stadträte nur Altbekanntes goutieren, keine Rückschlüsse ziehen oder auch kein Interesse bekunden, eine Evaluation vorzunehmen.

Verzicht auf Einflussnahme

Schulthess fordert, dass die städtischen Publikationen wie begonnen, per Newsletter versandt und auf der städtischen Webseite veröffentlicht werden. Sämtliche Finanzbeiträge an Medien seien zu stoppen und aus dem Budget der Stadtkasse zu streichen. Damit könnte die Stadt auf die Einflussnahme auf Medien verzichten. Natürlich erwarten die Schreibenden eine Stellungnahme.

Allerdings bleibt vorbehalten, ob mit dem Verlust der Kreuzlinger Zeitung und der Nichtbeachtung weiterer Medienhäuser in Kreuzlingen, der Ort vielleicht gar nicht so attraktiv erscheint, wie manch einer meint. Doch das täuscht. Schliesslich haben Journalisten an allen Thurgauer und besonders Kreuzlinger Ecken Themen für Geschichten in petto.

Manuela Olgiati