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Kreuzlingen
19.07.2024
04.08.2024 07:54 Uhr

«Es braucht effizientere Personen in den Ämtern»

Werner Meister und Urban Ruckstuhl, Unternehmer und Vorstandsmitglieder des Kreuzlinger Gewerbevereins. Bild: Manuela Olgiati
Der Gewerbeverein Kreuzlingen wurde vor über 130 Jahren gegründet. Seither hat sich viel verändert, doch Themen wie Grenze und Politik haben immer beschäftigt. Die beiden Vorstandsmitglieder und Unternehmer, Urban Ruckstuhl und Werner Meister sprechen vom stetem Wandel, auf den man sich einstellen muss.

«Grundsätzlich geht es den Mitgliedern des Gewerbevereins Kreuzlingen gut», sagt Werner Meister, Inhaber der gleichnamigen Schreinerei in Oberhofen. Zum Gewerbeverein zählen auch Detaillisten. Nach dem Zweiten Weltkrieg florierte der Kreuzlinger Detailhandel in der Nähe der Grenze zu Konstanz. Als der Ansturm abflaute und dafür die Schweizer in Konstanz einkauften, gaben  viele ihre Geschäfte auf. Diese haben mit dem Einkaufstourismus zu kämpfen. Urban Ruckstuhl, der Mitinhaber der Bodan AG Kreuzlingen sagt: «Aber nicht nur. Auch strukturelle Veränderungen wie die Möglichkeit des Onlineshoppings verändern das Einkaufsverhalten.»

Im Gewerbeverein Kreuzlingen ist der Zusammenhalt grösser geworden in den letzten Jahren. Meister setzt auf das duale Bildungssystem beim Fachpersonal. Der Wohlstand hat uns allen ein Schnippchen geschlagen, sagt er. «Junge Berufsleute wollen nur noch 80 Prozent zum gleichen Lohn wie im Vollpensum arbeiten.» Die Rechnung unter dem Strich geht nicht auf. Es braucht Lösungen. Was das Gewerbe tun kann?

Werner Meister sagt: «Unsere Mitglieder tauschen sich untereinander aus.» Unter den Branchen gebe es klar Konkurrenten. Wie überall, entscheidet der Wettbewerb über den Erfolg. Innovation ist das Schlüsselwort. Die Arbeit von Unternehmern ist nicht zu vergleichen mit der Arbeit von Behörden. Die Gewerbetreibenden von Kreuzlingen vermissen oft den Sparwillen des Stadtrates. Führungsaufgaben in Ämtern seien eben Herausforderung, heisst es schnell. Wer dem nicht gewachsen ist, sollte eine Standortbestimmung machen. Doch das merkt noch lange nicht jeder.

Trägheit ein Warnsignal von schwacher Führung

Für Werner Meister ist klar: «Ein Makel ist die fehlende Konkurrenz in Behörden.» Das bekomme das Gewerbe 1 zu 1 zu spüren. Zwar gebe es Fachpersonal, doch ein Teilzeit-Stadtrat in Kreuzlingen sei nicht nachhaltig wirksam. Lange Wartezeiten, die sich über mehrere Monate hinauszögern und dann unbefriedigende Antworten erhalten, bringen keine Lösungen zustande. Ablehnende Entscheide nach Volksabstimmungen geben authentisch Rückschlüsse darauf, dass die Bevölkerung mehr erwarte, als ein Schubladendenken.

Rund 250 Mitglieder zählt der Gewerbeverein Kreuzlingen. Ihr Netzwerk pflegen sie an verschiedenen Anlässen und Business-Mittagslunches. Werner Meister sagt: «Unsere Anlässe werden immer sehr gut besucht.» Man tausche sich untereinander aus. Und da sei herauszuhören, dass das Kreuzlinger Gewerbe etwas bewegen möchte. Seit der Gründung werden auch politische Themen behandelt. Früher waren die Gewerbler allerdings politisch aktiver. Werner Meister war mehrere Jahre Gemeinderat. Er sagt: «Für mich alles eine Frage der Kapazitäten.» Fehlende Zeit nennt Meister, seit 33 Jahren Unternehmer der gleichnamigen Schreinerei in Oberhofen, die Gründe für ein Engagement des Gewerbes. Auch Urban Ruckstuhl, Unternehmer mit langer Firmengeschichte nickt. Er sagt: «Von aussen sieht man, was gut läuft, aber auch das, was nicht gut ist.» Es gibt Optimierungsbedarf.

Kritik an der Behördenarbeit

Das Gewerbe nehme zunehmend eine Trägheit von Behörden und Verwaltung wahr. Zudem haben die Kreuzlinger Bürger längst bemerkt, dass die Stadt Kreuzlingen und Verantwortliche der kantonalen Departemente nicht miteinander sprechen. Mit besseren Absprachen, zum Beispiel bei Strassensanierungsprojekten gerade an Hauptverkehrsachsen, gäbe es weniger unangenehme Diskussionen. Ein Beispiel nennt Werner Meister in Gesprächen, die bei den zuständigen Amtsstellen kein Gehör finden. Bringe man eine Idee ein, um den Verkehr umzuleiten, stosse man bei den Ämtern und Verantwortlichen im Stadtpräsidium auf Unverständnis, ja gar taube Ohren. Werner Meister im Interview mit Leader digital. https://www.leaderdigital.ch/news/leaderdigital-ch-praesentiert-unternehmer-im-gespraech-heute-mit-werner-meister-10008.html

Dies biete geradezu Plattform für Konflikte, auch eine gewisse Unzufriedenheit. Denn wie die beiden Unternehmer betonen: «Ohne Innovation und Geschwindigkeit ist man weit entfernt von der gewünschten Erfolgswelle.» Fehlende Antworten deuten noch auf weitere Probleme hin. Unternehmerisch denkende, engagierte und ihre Verantwortung wahrnehmenden Stadträte sind für die beiden Unternehmer wünschenswert. Gewerbliche Interessen müssten bereits im Parlament besser vertreten sein. Tut es jedoch zu wenig. Dennoch bezeichnen die Unternehmer die Gesprächskultur mit Behörden und Arbeitgeberverein gut. Es braucht in Zukunft mehr Politiker, die dem Gewerbe gut gesinnt sind, aber auch globales Denken im politischen Diskurs. Das bedeutet, Visionen entwickeln und innovative Menschen fördern, die sich flexibel dem steten Wandel anpassen können. 

Manuela Olgiati