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Kreuzlingen
02.09.2024
02.09.2024 17:58 Uhr

Zwei 5G-Mobilfunkmasten gestoppt

Das Bauvisier für die Mobilfunkanlage in Kreuzlingen wurde rückgebaut. Bild: PD
Der Bau von geplanten Mobilfunkanlagen in Kreuzlingen und Triboltingen wurde von Bundesgericht und Bundesbehörden gestoppt. Der langjährige rechtliche Widerstand der betroffenen Bevölkerung hat Früchte getragen, schreibt der Verein Strahlungsfrei in einer Medienmitteilung. In Kreuzlingen, beim Eisenbahnviadukt «Alp/Tobel» war die Überraschung der 22 betroffenen Bewohner des Wohnquartiers «Alp» in Kreuzlingen gross, als in den Sommerferien das Urteil des Bundesgerichts eintraf.

Es hatte nämlich entschieden, dass die von Salt geplante Mobilfunkanlage mit 30 Meter hohem Antennenmast auf der Viehweide beim Eisenbahntrassee nicht zonenkonform ist und somit nicht an diesem Ort gebaut werden darf. Der rechtliche Kampf der ursprünglich 855 Einsprecher dauerte über fünf Jahre und wurde von Gemeinderat Alexander Salzmann und seiner Ehefrau Heike koordiniert. Besonders gross war die Freude, als vergangene Woche zu beobachten war, wie das Bauvisier des geplanten Antennenmasts abgebrochen wurde. Das war eine symbolträchtige Aktion, denn die Firma Salt musste ihr Baugesuch damals im Frühling 2019 mehrmals neu ausschreiben, weil sie nicht in der Lage war, auf Anhieb ein gesetzeskonformes Bauvisier aufzustellen. (BGer 1C_22/2023 vom 9. Juli 2024)

Nochmalige Prüfung durch Ämter

Die Vorinstanz und kantonale Ämter wurden vom Bundesgericht angewiesen, die Sachlage unter Berücksichtigung der dargelegten Mängel nochmals zu prüfen. Deshalb hat es sich für das Bundesgericht erübrigt, auf die weiteren Kritikpunkte der Beschwerdeführenden einzugehen. Die Anlage ist nämlich an der Landschaftsschutzzone des beliebten Panoramawegs «Alp» und unmittelbar an das besonders hangrutschgefährdete «Tobel» geplant. Ein Abrutschen des tonnenschweren Antennenfundaments und in der Folge ein Kippen des 30 Meter hohen Antennenmasts hätte fatale Folgen für den Bahnbetrieb, Wohnhäuser, Fahrzeuge und Fussgänger.

Im Sinn der bundesrechtlichen Vorsorgepflicht ist dieses Risiko zu vermeiden, schreibt der Verein Strahlungsfrei weiter. Seit September 2021 wehrten sich auch die Bewohner von Triboltingen mit einer von Katharina Curtius und Nicole Felber koordinierten Sammeleinsprache gegen die beim Bahnhof Triboltingen geplante Mobilfunkanlage von Sunrise. Wie in Kreuzlingen, war auch hier ein 25 Meter hoher Antennenmast am Bahntrassee geplant. Das betreffende Gebiet befindet sich in einer besonders empfindlichen Zone für Landschafts- und Naturschutz sowie Denkmal- und Ortsbildschutz. In rechtlicher Hinsicht sind solche Schutzgebiete in verschiedenen nationalen und kantonalen Registern (BLN, ISOS etc.) verzeichnet und geniessen deshalb besonderen Schutz.

Die Einsprecher hatten deshalb die Einholung eines Gutachtens der dafür zuständigen Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) beim Gemeinderat beantragt. Dieser folgte dem Antrag. Auf den Punkt gebracht, ist die oberste Natur- und Heimatschutzbehörde zur Überzeugung gelangt, dass die geplante Mobilfunkanlage nicht ausgerechnet bei diesem besonders wertvollen Schutzgebiet gebaut werden soll. Die aktuelle wissenschaftliche Studienlage belegt nämlich, dass von Funkstrahlung ein Risiko für Schäden bei Tieren und Pflanzen nachgewiesen ist. Diese Empfehlung ist bindend für den Gemeinderat aber auch für den Kanton und eine Ablehnung des Baugesuchs hätte zwangsläufig erfolgen müssen. Dem ist die Mobilfunkbetreiberin Sunrise zuvorgekommen und hat das Baugesuch für ihre geplante Mobilfunkanlage diesen Frühling zurückgezogen, um die drohende Ablehnung und damit ein Präjudiz zu vermeiden.

Verein Strahlungsfrei ist Mitglied im Dachverband Elektrosmog CH+FL 

Ergänzend merkt der Verein Strahlungsfrei an, dass es allen unterlegenen Bauherrschaften freisteht, jederzeit nachgebesserte Baugesuche einzureichen. Deshalb sind Anwohner gut beraten, stets auf Ausschreibungen im Amtsblatt und auffällige Bauvisiere zu achten. Der gemeinnützige Verein strahlungsfreies Kreuzlingen hat die Einsprechergruppen in beiden Rechtsmittelverfahren fachtechnisch beraten. Die Ergebnisse belegen, dass Mobilfunkbetreiber landesweit Baugesuche einreichen, die nicht allen rechtlichen Erfordernissen genügen und deshalb nicht sofort realisierbar sind.

Innert kürzester Zeit wurden mehrere Tausend Baugesuche für neue 5G-Mobilfunkanlagen landesweit eingereicht, ohne über ausreichend qualifizierte personelle Kapazitäten zu verfügen. Fehlplanung oder Kalkül? Eher das Zweite, denn die Bearbeitung derart vieler Baugesuche in so kurzer Zeit bringen auch Gemeinden und Kantone ans Limit. Die Führung von Rechtsmittelverfahren gegen schludrig abgefasste Baugesuche führt nämlich zu viel Bearbeitungsaufwand.

Die Mobilfunklobby versucht diese Situation gegenwärtig auszunützen, um im Hintergrund das von der Verfassung geschützte Recht auf Einsprache gegen Mobilfunkanlagen zu schwächen und am liebsten ganz abzuschaffen. Mit allzu mobilfunkfreundlichen beziehungsweise bürgerfeindlichen Verordnungen und Vollzugsempfehlungen soll dies nun gerichtet werden. Erfreulicherweise hat das Bundesgericht diesen aus rechtsstaatlicher Sicht fragwürdigen Bestrebungen mit dem aktuellen Urteil für geplante 5G-Mobilfunkanlagen in Wil einen ersten Riegel geschoben. (BGer 1C_411/2022, 1C_413/2022 vom 5. Juli 2024)

zVg