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Kanton
23.10.2024

Nicht ganz Hundert musikalisch umgesetzt

Das Thurgau Jugend-Symphonieorchester spielt auf der Bühne. Bild: Samuel Svec
Nach einem intensiven Musiklager in Churwalden hat das Thurgauer Jugend-Symphonieorchester in Weinfelden und Kreuzlingen zu stimmungsvollen Konzerten eingeladen.

„Wir sind nicht ganz 100!“ vermeldeten Tabea und Aaron, welche sympathisch und lustig durch das Konzert moderierten. Trotz über hundert Anmeldungen schaffte es das Musiklager des Thurgauer Jugend-Symphonieorchesters wegen kurzfristigen Abmeldungen nicht, diesen Meilenstein zu erreichen. Allerdings wäre es aufgrund der jüngsten Entwicklungsgeschichte nicht verwunderlich, wenn die Marke bereits im nächsten Jahr geknackt würde.

Bis vor einigen Jahren bestand das Orchester aus wenigen Teilnehmern mit zum Teil unausgewogenen Besetzungen. Seit Benjamin Zwick die musikalische Gesamtleitung übernahm, wuchs das Musiklager und für die diesjährige Ausgabe kam ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Blas- und Streichinstrumenten zustande. Das Konzert am Freitagabend im Konzertsaal des Thurgauerhofs in Weinfelden begann aber nur mit der Hälfte der Besetzung. Die etwa fünfzig Streicherinnen und Streicher eröffneten mit der „Capriol Suite“ von Peter Warlock. Das Werk besteht aus sechs Tänzen, deren unterschiedliche Temperamente die Musizierenden überzeugend tänzerisch zu spielen wussten. Das Streichorchester wurde von Hye Ri Kim den verschiedenen Gemütslagen entsprechend angeleitet. So erzielten die Tänze ihre Wirkung von bestimmt, spannungsvoll über verspielt bis zu gefühlvoll und sanft.

Solisten spielten virtuos

Mit Tarot folgte das nächste stimmungsvolle Stück gespielt von der Blasorchesterformation unter der Leitung von Fabian Künzli. Mit „Tarot“ von Lindsay Bronnenkant war ein effektvolles, manchmal wildes und immer wieder filigranes Stück ausgewählt worden, welches besonders die Konzentration der Musizierenden forderte. Während im ersten Satz „The Fool“ die Überraschungsmomente und skurrilen Elemente im Zentrum standen, wurden im zweiten Satz „The King of the Cups“ meditative, aber auch dissonante Klänge mit choralartigen Passagen vereint. Die vielen solistischen Einsätze wurden virtuos und ausdrucksstark interpretiert. Bisweilen war kaum zu erkennen, welche Instrumente noch spielten, weil sich die Klänge derart gut zu mischen vermochten. Der dritte Satz „The Tower“ führte in einen dramatischen und energischen Abschluss, immer wieder gespickt mit Effekten und einem grandiosen Schlussaufbau. Unter dem unaufgeregten und präzisen Dirigat war der wilde Ritt stets unter Kontrolle und vermochte der geforderten Bläserschar die nötige Ruhe und Sicherheit zu geben, die heiklen Einsätze mit Überzeugung zu bringen.

Nebst drei Dirigierenden waren für die intensiven und produktiven Registerproben sechzehn Registerleitende im Einsatz und für die aussermusikalischen Aktivitäten war die Freizeitleitung verantwortlich. Spiel, Spass und Geselligkeit hatten zwischen den Proben genügend Platz und tragen jeweils zur guten Gesamtstimmung des Lagers bei.

Nach der Pause reizte dann das komplette Symphonieorchester den Platz auf der Bühne aus. In der 1. Symphonie von Nikolai Rimski-Korsakow kamen kompakte Einsätze der einzelnen Register zur Geltung, im zweiten Satz gut intonierte und zart gespielte Passagen, im dritten Satz eine hohe Intensität und Energie und im vierten Satz brillierten die Solisten und der furiose Schluss begeisterte mit einem überzeugenden Gesamtklang. Das präzise Zusammenspiel des über hundertköpfigen Orchesters – drei Assistenzleitende spielten nebst den neunundneunzig Teilnehmern mit – war auch der souveränen Führung durch Benjamin Zwick geschuldet. Mit Überzeugung und Klarheit bei gleichzeitig musikalischer Eleganz dirigierte er anschliessend auch das letzte programmierte Stück „Finlandia“ von Jean Sibelius. Nach diesem wuchtigen Finale verlangte das Publikum eine Zugabe und es bekam den Walzer „Vierteljahrhundert Dreiviertler“ zu hören.

Zu hören war das TGJSO am Tag darauf noch in Kreuzlingen, wo das Musiklager seinen krönenden Abschluss fand und wenn die jüngste Entwicklung anhält, wird der Satz „Wir sind nicht ganz 100!“ sehr bald Geschichte sein. Jedenfalls gibt es 100 Punkte für Ausführung, Unterhaltungswert und den überspringenden Funken.

zVg