Alexander Salzmann, Sie sind ein angesehener und erfahrener Politiker sowie Finanzexperte im Kreuzlinger Gemeinderat und in der Stadt Kreuzlingen. Politische Vorstösse und Entscheide fallen in der Fraktion. Mir scheint, dass Ihre Stimme mit Ihrer grossen Erfahrung in der Lokalpolitik nicht immer gehört wird. Stört es Sie, nicht alle gleichzeitig im Boot zu wissen?
Antwort AS: Politik bezeichnet die Strukturen, Prozesse und Inhalte zur Regelung von Angelegenheiten eines Gemeinwesens, in diesem Falle der Stadt Kreuzlingen. Dabei hat die Stadt ihren Kernauftrag zu erfüllen wie beispielsweise eine funktionierende Verwaltung oder die Bereitstellung von Netzen (Strassen, Abwasser, Wasser Strom, Gas) oder die Sicherheit (Soziale Sicherheit, Feuerwehr, Zvilschutz, Ordnungsdienst). Die Stadt macht aber noch viel mehr nach dem Motto: «Tue Gutes mit fremdem Geld» (sprich: Steuergeld). Und in diesen Fragen kann man getrost unterschiedlicher Meinung sein.
Welches ist Ihre Strategie?
Antwort AS: Ich stelle die Freiheit des Bürgers in den Mittelpunkt, der eigenverantwortlich, sein Leben leben will wie er das möchte, solange er das Leben Anderer dadurch nicht beeinträchtigt. Ich stelle jedoch fest, dass immer mehr Personen in die Politik drängen, welche besser zu wissen scheinen, was für den Einzelnen gut ist oder nicht. Solche, die mit einem Aktivismus, einem Volkserziehungsauftrag im Parlament in Erscheinung treten und daraus ihre Motivation ziehen. Die Freiheit und alle damit in Zusammenhang stehenden Grundrechte verlieren damit ihre Anhänger. Ich möchte das immer wieder ins Bewusstsein rufen. Ja, das ist anstrengend, aber es lohnt sich. Ich habe Kinder, die ich auch in Freiheit leben sehen will. Die selber bestimmen, wie sie leben wollen und die nicht durch unnötige Steuern Lieblingsprojekte von Politiken bezahlen müssen.
Eine Behörde sollte nicht Harmoniebehörde sein. Der Gemeinderat hilft dem Stadtrat sogar etwas auf die Sprünge. Braucht es da nicht etwas mehr Streitpunkte im Gremium?
Antwort AS: Der Stadtrat bittet immer wieder um Vertrauen. Und der Stadtrat geniesst grosses Vertrauen im Gemeinderat. Zwar schimpfen doch einige Parlamentarier, stimmen aber dann im entscheidenden Moment zu Gunsten der stadträtlichen Vorstellungen.
Wie beurteilen Sie selber die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat?
Antwort AS: Es braucht Überwindung, sich gegen den Stadtrat zu stellen, denn dazu muss man sich gründlich einlesen und argumentieren können. Der Stadtrat hat den Gemeinderat also gut im Griff. Der Gemeinderat ist gemäss unserer Gemeindeordnung die aufsichtsführende Behörde über Stadtrat und Stadtverwaltung. Wenn ich diese Aufgabe nicht wahrnehmen würde, bräuchte es mich in diesem Rat nicht. Einfach nur da zu sein und wichtig zu wirken, wäre verlorene Lebenszeit.
Ich komme zurück auf die Finanzen. Sie kennen das Budget und setzen den Sparhebel an. Bei den vielen Investitionsprojekten der Stadt, fehlenden Prioritäten und einer Zukunft mit Schuldenberg, der sich anhäufen könnte nach den Volksabstimmungen, entsteht ein mulmiges Gefühl. Braucht es da nicht schon im Gemeinderat Gespräche für Lösungen mit einer Mehrheit?
Antwort AS: Selbstverständlich. Wir haben einen Stadtrat, der sich mehrheitlich als Verwalter, denn als Stratege sieht. Ich habe schon von Stadträten gehört, dass man lediglich zuständig sei, Botschaften zu produzieren, für den Rest sei das Volk zuständig. Es gibt im Stadtrat also teilweise nicht einmal den Anspruch zu führen oder strategisch zu denken – natürlich gibt es Ausnahmen und ich schmeisse nicht alle in den gleichen Topf. Der Stadtrat ist vom Volk gewählt, sogar mit einer höheren Legitimität als der Gemeinderat (höhere Wahlbeteiligung) und somit haben wir uns zu arrangieren, ob wir wollen oder nicht. Die Mitglieder des Gemeinderats haben keinen Apparat hinter sich, der im Detail Dinge ausarbeiten kann. Wir haben lediglich die Möglichkeit, den Stadtrat mit Fragen zu löchern. Daher wäre es schwierig bis unmöglich, selbst eine Strategie zu entwickeln.
Mit Optimierung in der Kommunikation?
Antwort AS: Nein. Die Stadt investiert sehr, sehr viel Geld in dieses Thema. Der Gemeinderat hat sogar vor einem Jahr eine Nanny-Stelle gutgeheissen, welche zusätzlich zu bereits bestehenden Kommunikationsformaten Workshops und Bürgerforen organisieren soll. Wer eine Politik betreibt, die durch extrem viel Kommunikationsaufwand begleitet werden muss, sollte seine Politik selbst hinterfragen.
Trotz hohem Engagement im Beruf und in der Politik, sind Sie auch Privatmensch. Was gefällt Ihnen an Kreuzlingen besonders?
Antwort AS: Ich bin in Egelshofen aufgewachsen und lebe immer noch dort. Ich liebe die Lengwiler Weiher (die heissen nur so, sind auf Kreuzlinger Boden) und man wird mich dort oft spazieren gehen sehen. Auch der Egelshofer Gemeindeplatz ist wunderschön und wird zunehmend durch die Jugendmusik Kreuzlingen sowie meinem Quartierverein belebt.
Welche Wünsche sind offen?
Antwort AS: Der finanzielle Druck, unter dem die Stadt steht, sehe ich als grosse Chance, dass wir alle darüber nachdenken, was uns wirklich wichtig ist. Was braucht es für ein gutes Leben in unserer Stadt und auf welche Dinge können wir jedoch verzichten? Ich bin nun seit über einem Jahrzehnt in der Kreuzlinger Politik und diese Fragen, die ich stets stellte, interessierte angesichts voller Kassen niemand. Diese Fragen sind aber interessant, um, zurückzukommend auf die erste Frage, den Kernauftrag der Stadt herauszuschälen.
Natürlich wünsche ich Allen ein gutes Neues Jahr. Mögen ihre Wünsche und selbst gesteckten Ziele in Erfüllung gehen und gefasste Vorsätze eingehalten werden.