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Kultur
29.10.2025

New York: Wo Träume wahr werden

Muriel Oberhofer möchte auch nach der musikalischen Ausbildung nicht die Verbindung zu New York kappen. Gleichzeitig baut sie hierzulande ihre Präsenz aus und führt Veranstaltungen durch. Am 6. Dezember konzertiert sie mit dem MCS im St. Johann. Bild: Sandro Zoller
Für ihre Leidenschaft begab sich Muriel Oberhofer auf eine Reise – musikalisch und persönlich. Nach dem Studium in London verfeinert sie aktuell ihre Performance-Künste in der Stadt der Shows, Lichter, Träume und Hoffnungen – New York.

«In der Musik liegt die Hauptaufgabe einer Performerin darin, durch Noten Gefühle und Emotionen zu erzeugen und diese mit dem Publikum zu teilen», erklärt die 25-jährige Schaffhauser Violinistin Muriel Oberhofer. Um dieses schwierige Unterfangen nicht nur zu beherrschen, sondern zu meistern, entschied sich die Instrumentalistin dazu, ihr Studium an einer Schule zu absolvieren, die den Fokus auf Performance setzt. Da in der Schweiz für ihre Ziele zu allgemein und divers unterrichtet wird, fand sie das passende Zuhause auf Zeit in London – an der Royal Academy of Music. Nach den sechs lehrreichen und intensiven Jahren des Bachelor- und Masterstudiums zog es sie nach New York City. Durch eine glückliche Fügung konnte sie ihr Können unter Beweis stellen und einen der limitierten und höchst begehrten Plätze in der Klasse von Pinchas Zukerman an der Manhattan School of Music ergattern. Seit rund einem Jahr lebt und übt Muriel Oberhofer in der Upper-West-Side. Dabei baut sie ihr Netzwerk aus und setzt alles daran, in Zukunft in der Musikbranche Fuss fassen zu können und als Performerin erfolgreich zu sein.

Basis: ein Stück technisch meistern

«Ich bin in einer Musikerfamilie gross geworden. Stets war ich von Liedern und Instrumenten umgeben gewesen. Es war deshalb naheliegend, dass ich früher oder später ebenfalls ein Instrument lerne», hält die Violinistin im Gespräch mit dem «Bock» fest. Auf dem Weg zum Eislaufplatz habe sich ein Instrumentenladen befunden. In der Vitrine sei ihr sofort die Violine ins Auge gestochen. «Nach unermüdlichem Betteln schenkten mir meine Eltern eine kleine Violine zu Weihnachten. Da war ich 3,5 Jahre alt.» Muriel Oberhofer ist vom Musizieren genauso fasziniert wie damals – obwohl sie tagaus und tagein übt. Aber nur so lasse sich ein Stück technisch meistern. Dies wiederum sei die essenzielle Basis, um überhaupt daraus Kunst zu machen. «Es hilft den Hintergrund des Stücks sowie die Umstände des Komponisten zum Zeitpunkt, als das Werk geschrieben wurde, zu kennen. Mit diesem Wissen kann ich mir schlussendlich dazu eigene Gedanken machen», erklärt die Wahl-New-Yorkerin. Auf der Bühne würden all diese Aspekte zusammenkommen. So sei der Künstler in der Lage, seine Interpretation des Werks nach seinen Vorstellungen zu performen.

Mit Musik Menschen berühren

Einerseits sehe sie es als ein grosses Privileg an, bei einer Koryphäe wie Pinchas Zukerman lernen zu dürfen. Daher liegt ihr viel daran, so gut vorbereitet wie möglich im Unterricht zu erscheinen, um von seinem Wissen vollumfänglich zu profitieren: «Es ist mein Wunsch durch die Musik den Menschen etwas Gutes zu tun. Sie sollen dabei einen Moment ausserhalb des Alltags erfahren, in welchem sie verschiedene Emotionen spüren dürfen. Die grösste Wirkungskraft habe ich als Solistin und Kammermusikerin.» Die klassische Musik sei ein äusserst kompetitives Feld. Nur durch eine erfolgreiche Karriere erhalte sie die Möglichkeit, mit der Musik viele Menschen zu erreichen und mit ihnen ihre Leidenschaft zu teilen.

«Die Zeit in New York lässt mich musikalisch und persönlich weiterwachsen.»
Muriel Oberhofer, Violinistin

Fokus auf Perfomance

Die Schweiz beherberge grossartige Schulen und qualifizierte Dozierende und biete Musikstudentinnen und -studenten sicherlich viel. Dennoch entschied sich Muriel Oberhofer von Anfang an für Ausbildungsplätze ausserhalb des Landes: «Der ausschlaggebende Grund ist die Zusammensetzung des Studienplans.» Schweizer Hochschulen würden den Fokus auf eine breitgefächerte Musikausbildung setzen, speziell im Bachelorstudium. Sie habe nach einer Schule Ausschau gehalten, welche vollkommen auf Performance setzt. «Ich wollte genügend Zeit erhalten, um an meinen technischen und künstlerischen Fähigkeiten zu arbeiten.» In Europa sei deshalb nur das Konservatorium in London infrage gekommen. Hinzu komme, dass sie es wichtig finde, als Künstlerin etwas von der Welt zu sehen. Das bereichere die Musik.

Enorme Fülle an Shows und Talenten

«London und New York sind für die klassische Musik wahrscheinlich die wichtigsten Dreh- und Angelpunkte. Alle grossen Agenturen haben an diesen Orten Filialen und die Dichte an berühmten Künstlern ist sehr hoch», erklärt Oberhofer. Aus musikalischer Sicht sei sie deshalb von Anfang an unglaublich verwöhnt gewesen. Berühmte Musikschaffende live erleben? Meistens sei der nächste Act nur einen Katzensprung entfernt. «Für meine Ausbildung bedeutet dies im Konkreten Wissen, welches ich ansonsten nicht so leicht erhalten würde.» Bezüglich Ausbildung habe der Ort bei der Entscheidungsfindung eine zentrale Rolle gespielt. Primär sei Ihr Fokus dennoch auf der Bildungsstätte und dem Violinen-Professor gelegen. Die Royal Academy of Music und die Manhattan School of Music, zwei weltberühmte Institutionen, hätten ihr eine wichtige Grundlage gegeben.

Aufenthaltsstatus schränkte ein

«Letztes Jahr schränkte mich mein Visum ungemein ein. Meine Möglichkeiten, was das öffentliche Auftreten betraf, waren sehr limitiert.» Es sei ihr lediglich erlaubt gewesen, an von der Schule organisierten Konzerten zu spielen. Darunter fiel die Teilnahme an einem Sommerfestival, welches zum Musikstudentenleben dazugehört. Das vergleichsweise kurze Schuljahr wird durch solche Erfahrungen ergänzt. Daran nehmen junge Musikerinnen und Musiker aus der ganzen Welt teil, um gemeinsam zu lernen und zu musizieren. Vergangenen Sommer war Muriel Oberhofer, als «Chamber Music Fellow» am Heifetz International Music Institute in Staunton, Virginia, das der Host eines sechswöchigen Festivals ist. In diesem Schuljahr hingegen tritt sie regelmässig in verschiedenen Formationen auf. Sie sei bisher im Duo, als Solistin sowie Konzertmeisterin des «Manhattan School of Music Symphony Orchestra» auf der Bühne gestanden. Kommenden Mai schliesst Oberhofer mit einem Professional Performance Diploma der Manhattan School of Music ab. «Als Teil meines Abschlusses bekomme ich ein ‹Graduate Visa›, welches mir erlaubt, ein Jahr in den USA zu arbeiten. Ich werde dies sicherlich ausnutzen und mich danach für ein Artist-Visa bewerben.» Ihr Plan sehe vor, in den USA und in Europa ihre Reichweite zu vergrössern und tätig zu sein.

«Es ist ein wunderbares Gefühl, zwischen den Wolkenkratzern mit Freunden zu lachen und zu tanzen.»
Muriel Oberhofer, Violinistin

New York erleben

Da die Musikerin ihren Master bereits in London abgeschlossen hat und es sich im Big Apple «nur» um ein Diplom handelt, bestehe kein Theorieunterricht. «Obwohl ich darüber generell froh bin, beneide ich manchmal meine Kollegen, die mit Freunden in stilvollen Kaffees ihre Hausaufgaben erledigen können.» Die faszinierende Metropole zwischen Hudson- und East-River versucht sie in ihrer Freizeit zu entdecken. Um kurz durchzuatmen, sei der Park oftmals ihre erste Wahl, wie etwa gleich um die Ecke der Riverside, welcher lange Spaziergänge am Hudson River entlang ermöglicht. «Der Central Park ist einer meiner absoluten Favoriten. Es ist immer schön zu beobachten, wie sich der Park in den verschiedenen Jahreszeiten verändert», erzählt die Schaffhauser Musikerin. Sie schätze die Ruhe der «Upper West Side», vergesse aber manchmal, dass sie mitten in Manhattan lebt. Dann zieht es sie zum Flanieren in die Innenstadt und in deren Hochhausschluchten. Sie sei gerne in luftiger Höhe, etwa in Rooftop-Bars und -Restaurants. New York wirke aus der Höhe nochmals komplett anders. «Es ist ein wunderbares Gefühl, zwischen den Wolkenkratzern mit Freunden zu lachen und zu tanzen», sagt Muriel Oberhofer strahlend. Ihre Bucket List sei noch lange nicht abgearbeitet. Beispielsweise will sie weitere Musicals erleben und öfters die Metropolitan Opera und das Ballett besuchen. «In New York hat man definitiv die Qual der Wahl.» Dies mache es einem nicht einfacher. Die Musikerin will nicht das ganze Leben verplanen: «Oftmals entstehen grossartige Chancen unerwartet und so kam ich auch nach New York. Deshalb möchte ich es offenlassen, wohin mich das Leben führt.»

Kreuzlingen24/szt