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Schweiz/Ausland
26.11.2021
25.04.2023 14:18 Uhr

Vogel des Jahres 2022

Die Feldlerche kürt BirdLife Schweiz als Vogel des Jahres 2022. Bild: Beat Rüegger
BirdLife Schweiz kürt die Feldlerche. Diese Vogelart lebt als Bewohnerin offener Agrarlandschaften seit Jahrhunderten eng mit dem Menschen zusammen. Seit einigen Jahrzehnten ist sie jedoch durch die fortschreitende Industrialisierung der Landwirtschaft stark bedroht.

Der Vogel des Jahres 2022 mag klein und unscheinbar sein, doch er ist einer der besten und ausdauerndsten Sänger unserer Vogelwelt. Minutenlang flattert die Feldlerche im Früh­ling über den Feldern und Wie­sen und beglückt uns mit ihrem fast pausenlosen Gesang. Mit den jubilierenden Strophen versuchen die Männchen ein Weibchen zu gewinnen. Schon Shakespeare wusste von den Gesangskünsten der Feldlerche und hat ihr in seinen Stücken ein Denkmal gesetzt: «Es war die Nachtigall und nicht die Lerche, die eben jetzt dein banges Ohr durchdrang» heisst es in dem berühmten Werk von Romeo und Julia.  

Schneller Brüter 

Die Feldlerche brütet am Boden in Wiesen und Äckern. Bereits im April legen die ersten Weibchen 4 bis 5 Eier, die im Schnitt 12 Tage ausgebrütet werden. Die Jungen verlassen danach das Nest nach 7 bis 12 Tagen. Das ist Rekord und die kürzeste Nestlingszeit unter den hiesigen Singvögeln. Doch selbst diese Anpassung ans Kulturland reicht heute nicht mehr aus, um erfolgreich brüten zu können.

Weder findet die Feldlerche ei­nen sicheren Brutplatz noch ausreichend Insekten und Spinnentiere als Nahrung. Wiesen werden heute zu stark gedüngt und bis zu 7-mal pro Jahr gemäht, sodass nur noch wenige Blütenpflanzen und Insekten überleben können. Sie wachsen ausserdem so einheitlich dicht auf, dass zwischen den Pflanzenhalmen kein Platz für die Feldlerche bleibt. Infolgedessen ist die Feldlerche aus den Wiesen des Mittellands so gut wie verschwunden. Aber auch in den Alpen ist sie zunehmend bedroht. Lediglich in Gebieten mit einem hohen Anteil an ungedüngten, spät geschnittenen Wiesen in Form von Biodiversitätsförderflächen BFF oder Schutzgebieten kommt sie noch in Restbeständen vor.  

Dramatische Lage 

In den Äckern hat sich die Lage für den Meistersänger in den letzten Jahrzehnten ebenfalls dramatisch verschlechtert. Auch hier ist Nahrung rar; Pestizide machen den Insekten den Gar­aus, Ackerrandstreifen als Rückzugsräume und Ackerbegleitflora als Nahrungsquelle für Insekten sucht man vielerorts vergebens. Resul­tat: Auch in den letzten Bastio­nen nimmt die Art ab – allein in den letzten 30 Jahren ist der Bestand in der Schweiz um fast die Hälfte geschrumpft.

Im Mittelland ist der Rückgang an vielen Orten noch katastrophaler: im Kanton Zürich betrug er beispielsweise über 90% (1977: 2900 Reviere; 2017: 235 Reviere. Quelle: Avimonitoring Kanton Zürich). Ohne Schutzprojekte von BirdLife und Partnern wäre der Einbruch wohl noch grösser ausgefallen. Aufgrund dieser dramatischen Entwicklungen steht der einstige Allerweltsvogel nun erstmals auf der bald erscheinenden Roten Liste der Brutvögel der Schweiz (Kategorie "verletzlich"). 

Falsche Anreize in der Agrarpolitik 

Zwar gibt es einzelne Projekte in der Schweiz von BirdLife Schweiz und Partnern, in denen durch grosse Anstrengungen kleinflächige Erfolge beim Schutz der Feldlerche erreicht werden. Auf grosser Fläche reichen diese Massnahmen jedoch nicht, um die dramatischen Einbrüche der Bestände zu stoppen und den negativen Trend umzukehren. Die Agrarpolitik muss sich insgesamt ändern, damit diejenigen Landwirte besser unterstützt werden, die mit statt gegen die Natur wirtschaften. «Nur durch die richtigen Anreize einer ökologisch ausgerichteten Agrarpolitik lassen sich die Feldlerche und viele weitere einstmals häufige Arten unserer Kulturlandschaft langfristig erhalten», sagt Raffael Ayé, Geschäftsführer von BirdLife Schweiz. Wenn wir weiterhin die Böden überdüngen und ihnen zu wenig Möglichkeit der Regeneration geben, wird nicht nur die Feldlerche nicht überleben, sondern auch die Lebensmittelproduktion irgendwann einbrechen.  

«Für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion braucht es ein gesundes Ökosystem mit Brachen, auf denen sich die Böden und die Biodiversität erholen können, und mit Wiesen, die nicht mit unzähligen Tonnen an Futtermitteln aus dem Ausland in Form von Gülle überdüngt werden», so Raffael Ayé. Nur so gelingt eine nachhaltige Landwirtschaft, und nur so können wir langfristig das Überleben der Meistersängerin Feldlerche sicherstellen. 

Film über die Feldlerche 

Ein neuer Kurzfilm von BirdLife Schweiz porträtiert den Vogel des Jahres 2022 und zeigt auf, was sich in der Agrarlandschaft ändern muss. Er ist unter www.birdlife.ch/feldlerche zu finden. Unter derselben Adresse gibt es auch ein Porträt zu lesen, und es kann ein attraktives Poster im Format A3 bestellt werden. 

 

BirdLife Schweiz: gemeinsam für die Biodiversität – lokal bis weltweit
 

BirdLife Schweiz engagiert sich mit Herzblut für die Natur. Mit 67'000 Mitgliedern, 450 lokalen Sektionen, Kantonalverbänden und weltweiten BirdLife-Partnern ist BirdLife Schweiz Teil des weltweit grössten Naturschutz-Netzwerks, BirdLife International – in der Gemeinde verwurzelt, weltweit wirksam. 

Gemeinsam mit den Mitgliedern setzt sich BirdLife Schweiz für die Biodiversität ein. Der Verband führt zahlreiche Schutzprojekte für gefährdete Arten und ihre Lebensräume durch, vom Steinkauz über den Eisvogel bis zur Ökologischen Infrastruktur. Mit den BirdLife-Naturzentren, der Zeitschrift Ornis und vielfältigen BirdLife-Kursen macht BirdLife Schweiz die Natur hautnah erlebbar und motiviert zu ihrem Schutz. 

Redaktion K24/mo