«Ich unterstütze Menschen und gebe ihnen die Wahl, emanzipiert zu leben.» Das sagte Antonella Bizzini, die Stellenleiterin seit Gründung der Infostelle Frau+Arbeit mit Sitz in Weinfelden in ihrer Ansprache am 25 Jahr-Jubiläum. Die Feier thematisierte das innere Feuer. Rund 100 Frauen und Männer an der Feier mit unterhaltsamem Rahmenprogramm mittendrin. Oder wie Bizzini mit einer Fabel des Kolobris betonte: «Dieser Brand soll nie löschen.» Dankbarkeit für das Erreichte ist zu vernehmen und Wünsche. Die Frauenzentrale, vertreten durch die Präsidentin Annina Villiger sorgt als Trägerschaft der Infostelle für gute Rahmenbedingungen. Villiger hielt Rückschau auf Würdeträgerinnen, die Aufbauarbeit leisteten. Die Fachstelle möchte die Zukunft auch visionär gestalten. Der Arbeitsmarkt von heute unterscheide sich stark von dem vom 1998. Bizzini sagte: «Flexibilität wird verlangt, Veränderungen sind erwünscht.» Immer mehr Arbeitgebende verhalten sich nicht anständig. Wurde zu Beginn kaum fristlos gekündigt, weil Arbeitsverträge noch eine gewisse Verbindlichkeit hatten, sei von dieser Verbindlichkeit immer weniger zu spüren. Arbeitgebende behalten öfter den Lohn zurück. Dass jemand am Arbeitsplatz erkrankt, sei keine Seltenheit mehr. Dadurch nehmen Verbindlichkeiten von Arbeitnehmenden ab. Rechte einfordern seien langwierig und gespickt mit Hindernissen.
Gleiche Chancen bei Bildungsfragen, Mütter ausgeschlossen
Klar verändert habe sich die Chancengleichheit für Frauen und Männer in Bildungsfragen. Stolpersteine zeigen sich wie bisher für Mutterschaft und beruflicher Werdegang. Im Jahr 2022 hat die Infostelle 718 Frauen beraten und zusätzlich 358 kostenlose Beratungen durchgeführt. Das Angebot sei niederschwellig ausgerichtet.
Die Infostelle Frau+Arbeit fördert die tatsächliche Gleichstellung im Erwerbsleben von Frauen und Männern. Sie ist spezialisiert auf die Lebensumstände von Frauen und berücksichtigt deren oft vielfältige und vielschichtige Bereiche in der Beratung. Die Beratungen stehen auch Männern offen.
Angebot
Die Infostelle bietet Beratung und Information durch Fachpersonen. Das Angebot ist niederschwellig: Es ist kostengünstig, wir sind gut erreichbar und die Terminvergabe erfolgt rasch und bedürfnisgerecht. Das Angebot ist umfassend: Wir bieten Beratungen und Informationen zu sämtlichen Aspekten des Themas Arbeit. Zu diesen gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Aus- und Weiterbildung, beruflicher Wiedereinstieg, Bewerbungs-Check und Coaching bei der Stellensuche, generell Fragen zum Arbeitsrecht, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, Kündigung, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Lohnfragen, Schwangerschaft, Mutterschaft und Vaterschaft und Diskriminierung.
Vorgeschichte
Zwischen 1991 und 1995 engagierten sich der Vorstand der Frauenzentrale und diverse Mitglieder für die Schaffung eines Gleichstellungsbüros im Kanton Thurgau. Die grossen Thurgauer Frauenorganisationen gründeten auf Wunsch des Regierungsrates eine Stiftung unter dem Namen BENEFO (BEratungsNEtzFrauenOrganisationen), worin die Opferhilfe und die Schwangerschaftsberatungsstelle organisiert wurden. Der Regierungsrat hatte dies als Voraussetzung für die Finanzierung eines Gleichstellungsbüros verlangt. Die Finanzlage des Kantons verschlechterte sich daraufhin und die zugesagte Finanzierung für ein Gleichstellungsbüro wurde auf Eis gelegt. Das war ein herber Schlag ins Gesicht der engagierten Frauen.
Eröffnung der Anlaufstelle
Als im Juli 1996 das Gleichstellungsgesetz in Kraft trat, keimte neue Hoffnung auf. Denn aufgrund des Gleichstellungsgesetzes war es neu möglich, finanzielle Mittel für die Führung einer Beratungsstelle vom Bund zu erhalten, die sich der Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann im Erwerbsleben widmete. Auf Anregung eines Frauenforums nahm die Frauenzentrale die Sache in die Hand und reichte ein Gesuch ein beim Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann. Das Gesuch wurde bewilligt, die beantragten Gelder gesprochen und die Frauenzentrale eröffnete die Stelle am 1. Oktober 1998.
Die ersten Schritte
Die Stelle war die ersten zwei Jahre mit insgesamt 30 Stellenprozenten dotiert: 20 Prozent für die juristische Beratung und den Aufbau der Stelle, 10 Prozent Sekretariat. Der Start der Fachstelle, die zu Beginn den Namen trug „Beratungsstelle für Gleichstellungsfragen im Erwerbsleben“, verlief harzig. Das Gleichstellungsgesetz war selbst in Fachkreisen kaum bekannt, geschweige denn bei den Arbeitnehmerinnen oder Arbeitgebern. Und auch der etwas komplizierte Namen sorgte manchmal mehr für Verwirrung als für Klarheit. Mit zunehmender Vernetzung und zunehmenden Bekanntheitsgrad nahmen immer mehr Frauen das Angebot einer Beratung wahr.
Anregungen
2001 wurde auf Empfehlung des Eidg. Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann das Konzept überprüft und die inhaltliche Erweiterung des Angebotes auf die Berufs- und Laufbahnberatung für Frauen als auch die räumliche Erweiterung des juristischen Angebotes auf die Region St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden geprüft. Schon 2002 konnte zusätzlich zur juristischen Beratung eine professionelle Berufs- und Laufbahnberatung angeboten werden. Gleichzeitig mit der Aufstockung wurde der Name geändert zu „Infostelle Frau+Arbeit“. Die Erweiterung der juristischen Beratung auf die Region wurde zunächst zurückgestellt, nach Anfragen aus dem Kanton SG und dem Kanton AR jedoch wieder thematisiert. Ab 01.01.04 stand die juristische Beratung explizit allen Frauen aus der Region AR, SG und TG offen.
Etablierung des Angebots
Ab 2004 unterstützten die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden die Infostelle Frau+Arbeit regelmässig mit finanziellen Mitteln. Ab 2007 beteiligte sich auch der Kanton Thurgau an der Finanzierung der Stelle. Die Nachfrage nach Beratungen stieg laufend. Entsprechend mussten, um den Zielen der Stelle weiterhin gerecht zu werden, auch die Stellenprozente erhöht werden.