Heinz Moll aus Ittigen im Kanton Bern scrollte kürzlich auf seinem Computer durch die hochaufgelöste LIDAR-Reliefkarte des Kantons Thurgau. Als begeisterter Burgenforscher war er auf der Suche nach auffälligen Geländeformationen. Auf dem Höhenmodell erkannte er in der Flur Töbeli auf dem Gemeindegebiet von Uesslingen-Buch zwei kleine Plateaus, die rundum von steilen Gräben umgeben sind. Zudem erkannte er mehrere alte Hohlwege. Beides sind typische Merkmale für sogenannte «Motten» oder «Erdwerke», eine frühe Form von mittelalterlichen Burgen. Moll meldete diese Beobachtung unverzüglich dem Amt für Archäologie des Kantons Thurgau. Der freiwillige Sucher Adrian Schoch führte anschliessend eine amtlich bewilligte Prospektion durch. Er lieferte nach einer fünfstündigen Suche mit seinem Metalldetektor die entscheidenden Beweisstücke: Abgesehen von einer kleinen Keramikscherbe fand er mehrere Eisenobjekte; darunter drei mittelalterliche Geschossspitzen, die von der Form her ins 11. bis 12. Jahrhundert datieren.
Eine Entdeckung von grossem historischem Interesse
Die Entdeckung der Burgstelle in der Flur Töbeli ist von grossem historischem Interesse. Die Anlage liegt nämlich nur knapp ein Kilometer westlich der Kartause Ittingen. Dieses ursprüngliche Augustiner-Chorherrenstift soll gemäss historischer Quellen am Standort der Burg der Herren von Ittingen erbaut worden sein. Nur, wo lag diese Anlage im 11. und 12. Jahrhundert? In einer Urkunde von 1079 wird eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Abt Eckehard II. von Reichenau und dem Abt Ulrich III. von St.Gallen erwähnt. Dabei soll die Burg Ittingen durch Eisen und Feuer dem Erdboden gleich gemacht worden sein. Die Burg der Herren von Ittingen wurde demnach 1079 zerstört. Spätere Dokumente belegen, dass sie danach wieder aufgebaut wurde. Aber wo? Darüber schweigen die Dokumente.
Wenn Urkunden schweigen, findet die Archäologie oftmals eine Antwort. Deshalb suchten schon vor über hundert Jahren Forscher nach Spuren im Gelände. Mittlerweile gibt es drei mögliche Standorte, wo sich der Stammsitz der Herren von Ittingen befunden haben könnte. So befindet sich eine Burgstelle in der Flur Chrüzbuck in der Gemeinde Warth-Weiningen. Diese liegt 350 Meter südlich der neu entdeckten Anlage im Töbeli. Einige Historiker vermuten die Stammburg innerhalb der Kartause Ittingen. Sie berufen sich dabei wörtlich auf eine Urkunde von Papst Eugen III. von 1152, in der den Brüdern Albert, Berchtold und Ulrich von Ittingen erlaubt wird, auf ihrer Burg zu Ittingen ein Kloster zu erbauen.
Burg war direkt ans regionale Wegnetz angebunden
Heute befinden sich die beiden Burgstellen Chrüzbuck und Töbeli nicht mehr an einer wichtigen Verkehrsachse. Im Mittelalter führte aber ein Hohlweg vom Töbeli direkt hinunter zur Burgstelle Chrüzbuck. Dort verlief eine Ost-West-Verbindung auf der nördlichen Thurterrasse. Dieser Streckenabschnitt verband zwei Flussübergänge bei Uesslingen und südöstlich der Kartause Ittingen. Die neu entdeckte Burg war also direkt ans regionale Wegnetz angebunden, vielleicht lag sie sogar an einer überregionalen Verbindung zwischen Winterthur und Konstanz.
Anhand vergleichbarer Fundstellen kann man vermuten, wie die Burg im Töbeli in etwa ausgesehen haben könnte. Ein mehrgeschossiger Turm aus Holz wurde von einer Palisade und tiefen Gräben geschützt. Das Amt für Archäologie Thurgau wird auf den beiden neu entdeckten Burgplateaus keine Grabungen durchführen. Allfällige Strukturen und Funde sollen im Boden bleiben und so für zukünftige Forschungen bewahrt werden. Das von Adrian Schoch geborgene Fundmaterial wird zurzeit im Amt für Archäologie konserviert und restauriert.